Prof. Dr. Andreas Hanses


Den Abschluss in unserer Reihe von ExpertInnengesprächen bildete das Interview mit Prof. Dr. Andreas Hanses am 12.05.2014 an der TU Dresden. Im Mittelpunkt stand die Realisierungsmöglichkeit des "guten Handelns" in Dienstleistungskontexten sowie die notwendige professionelle und reflektierte Positioniertheit von SozialarbeiterInnen. Demzufolge lässt sich die Herausbildung einer professionellen Identität nicht auf einzelne Wissensbausteine reduzieren, sondern bedarf einer spezifischen, multiperspektivischen Haltung, die sich nicht vor einer selbstbewussten Darstellung des eigenen Professionssystems und der Markierung professioneller Positionen im öffentlichen Raum scheut.

Das Einzelinterview mit Andreas Hanses

Impulse

  • Trotz widersprüchlicher Erkenntnisse und dem Machtverlust professionellen Wissens durch vereinfachte, allgemein nutzbare Zugänge zu Wissensquellen ist eine fortgesetzte Entwicklung weiterer Profession feststellbar.
  • Diagnose, Behandlung und Interferenz sind als Professionsmerkmale benennbar. Interferenz stellt die kognitive Schlussfolgerung dar, durch die ein begründeter Zusammenhang zwischen Diagnose und Behandlung hergestellt wird.
  • Die Professionalisierungsdebatte in der Sozialen Arbeit ermöglicht
  1. die Thematisierung des Spannungsverhältnisses zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Praxisstrukturen
  2. die Verbesserung von Ausbildung und Kompetenzprofilen
  3. die Konturierung der eigenen Professionalität im interprofessionellen Kontext
  • Als Profession trägt Soziale Arbeit dazu bei, Wissen zu erheben, durch das Individuen beschrieben und untereinander verglichen werden können. Das Individuum zum Fall zu machen, bedeutet gleichzeitig die Möglichkeit, es eigenen Deutungen zu unterwerfen und an Normen wieder anzupassen. Profession und professionelles Wissen können nicht ohne den Kontext von Macht gedacht werden.
  • Soziale Arbeit benötigt eine reflexive Auseinandersetzung mit der eigenen, wissensbasierten Subjektivierungspraxis als Profession und kann das nicht- qualifizierte Wissen der NutzerInnen nutzen, um deren selbstbestimmte Subjektivität zu ermöglichen.

Hanses, A. [2007]: Professionalisierung in der Sozialen Arbeit - Zwischen Positionierung, Macht und Ermöglichung. In: Anhorn, R./ Bettinger, F./ Stehr, J. (Hrsg): Foucaults Machtanalytik und Soziale Arbeit : Eine kritische Einführung und Bestandsaufnahme. Wiesbaden: VS, S. 309 - 320.

  • Professionen verfügen über vom Alltagswissen sich abhebende spezifische Wissensformen sowie Analyse- und Bearbeitungskompetenz, die in einer akademischen Ausbildung angeeignet werden können. Professionen erhalten außerdem einen gesellschaftlich legitimierten Auftrag.
  • Die Paradoxie des professionellen Handelns zeichnet sich durch die Einmaligkeit, Mehrdeutigkeit und Widersprüchlichkeit fallbezogener Probleme aus.
  • Die Anfänge Sozialer Arbeit als ehrenamtliches Engagement sind gerade durch eine Zurückweisung von systematischer Ausbildung und Methodenentwicklung gekennzeichnet. Ausgehend von der Einführung einer akademischen Ausbildung ist ein wissenschaftlicher und professionstheoretischer Fachdiskurs entstanden, der eine Positionierung auf gesellschaftlicher und professionspolitischer Ebene ermöglicht.
  • Soziale Arbeit kann sich nicht über eine verstärkte Institutionalisierung oder Etablierung fachbezogener Wissensordnungen profilieren, sondern wirkt wird über einen Lebenswelt-, Fall- und Subjektbezug als Koproduzent einer Dienstleistung, die originär von den Personen umgesetzt wird, die ihre Angebote in Anspruch nehmen.
  • Aufgrund der Komplexität und Ambiguität von fallspezifischen Problemlagen besteht das Ziel nicht in einer ungebrochenen Anwendung wissenschaftlicher Wissensbestände, sondern der reflexiven Brechung dieses Wissens mit der Wissensordnung des jeweiligen Falls.
  • Die professionellen Wissensordnungen sind um die biografie- und subjektbezogenen, "unterdrückten" Wissensordnungen der NutzerInnen zu erweitern, die reflexiv aufeinander bezogen werden können.
  • Ausbildungsstätten Sozialer Arbeit (Fachschulen, Hochschulen, Universitäten) sind als Bildungsorte für reflexive Professionalität zu denken, die diese als Teil sozialpädagogischer Praxis habitualisieren und institutionalisieren.

Hanses, A. [2009]: Professionalisierung Sozialer Arbeit - Fragmente einer reflexiven Positionsbestimmung. In: Busse, S./ Ehlert, G. (Hrsg): Soziale Arbeit und Region : Lebenslagen, Institutionen, Professionalität. Berlin: RabenStück, S. 276 - 293.

Biografische Daten

  • 1958 geb.
  • Professor für Sozialpädagogik an der TU Dresden