Prof. Dr. C. W. Müller


Das vierte Gespräch durften wir am 06.05.2014 mit Prof. Dr. C. W. Müller in Berlin führen, der uns mit der heutigen Stiftung wannseeFORUM einen exemplarischen Ort der außerschulischen Jugendbildung nach dem 2. Weltkrieg vorstellte. C. W. Müller, selbst Jugendpfleger und späterer Leiter einer ähnlichen Einrichtung, nämlich des Hauses am Rupenhorn, in dem ehrenamtliche GruppenleiterInnen und hauptamtliche JugendpflegerInnen ausgebildet wurden, stellte uns einen kompakten Abriss der Professionali-sierungsgeschichte der sozialarbeiterischen Berufe vor und erläuterte auf anschauliche Weise einige Herausforderungen, die eineprofessionelle Haltung erfordern. Dabei richtete er einen unvergesslichen Appell an alle VertreterInnen der Profession Soziale Arbeit, bei aller notwendigen Veränderung stets eine Ausrichtung an ethischen Grundwerten im Blick zu haben!

Das Einzelinterview mit C. W. Müller

Impulse

  • Soziale Arbeit als Zusammenführung von Sozialarbeit und Sozialpädagogik besteht aus einer bedarfsabhängigen, prekären Balance zwischen aktueller Nothilfe und perspektivischer Zukunftsvorsorge.
  • SozialarbeiterInnen sind als KritikerInnen der Gesellschaft angehalten, gesellschaftlich produzierte, dysfunktionale Strukturen zu thematisieren, unter denen die Zielgruppen der Angebote leiden.
  • Soziale Arbeit ist eine "hybride Profession", in der professionall ausgeübte Tätigkeiten mit dem ehrenamtlichen Engagement von "Zeitspendern" korrelieren.
  • Professionelle Soziale Arbeit kann der Gefahr einer "fürsorgerischen Umzingelung" mit der unterstützten Freisetzung von Selbsthilfepotentialen der Zielgruppen im Sinne einer "Hilfe zur Selbsthilfe" begegnen.

Müller, C. W. [2010]: Entwicklungen und Perspektiven der Sozialen Arbeit als Profession. In: Gahleitner, S. B. et al. (Hrsg): Disziplin und Profession Soziale Arbeit : Entwicklungen und Perspektiven. Leverkusen: Barbara Budrich, S. 21 - 28.

  • Eine professionelle Identität unterscheidet die entgeltlich verrichtete Tätigkeit als vertragsmäßige SozialarbeiterInnen von unbezahltem Ehrenamt und wird in der Regel durch eine fachdisziplinäre Ausbildung, eine staatliche Lizenz, ein professionelles Setting sowie die Kenntnis und Anwendung professioneller Methoden gewonnen.
  • Die Professionalisierungsgeschichte Sozialer Arbeit lässt sich ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Ergebnis von gesellschaftlichen Bewegungen (proletarische und bürgerliche Frauenbewegung sowie der späteren Jugendbewegung) rekonstruieren und nachvollziehen.
  • Das Bewusstsein über historische Verläufe und Fehlleitungen ermöglicht eine aktuelle Standortbestimmung und eine reflexive Entwicklung von Perspektiven.
  • Professionalität äußert sich in den Verfahrens- und Handlungsweisen methodischen Arbeitens und der darauf bezogenen Dokumentation (Aktenführung) und Reflexion (Supervision). Eine kontinuierlich Selbst- und Fremdevaluation kann als Instrument der Selbstaufklärung zu einer verbesserten Qualität und Rationalität beruflichen Handelns beitragen; zur Rationalisierung sind sie wenig geeignet.
  • Als personenbezogene Dienstleistung lässt sich Soziale Arbeit nur begrenzt standardisieren und ist als Koproduktionsprozess auf die ernsthafte und angestrengte Mitarbeit der NutzerInnen angewiesen.

Müller, C. W. [2013]: Wie Helfen zum Beruf wurde : Eine Methodengeschichte der Sozialen Arbeit. 6. Aufl. Weinheim: Beltz Juventa.

 

Biografische Daten

  • 1928 geb. in Dresden
  • 1948-1956 Studium der Germanistik, Anglistik, Publizistik- und Theaterwissenschaft
  • Tätigkeit als Jugendpfleger, Dozent und späterer Leiter des Hauses am Rupenhorn
  • Postdoktorales Studium der Soziologie, Erziehungswissenschaft und Sozialpädagogik in Berlin und New York
  • 1965-1997 Professor für Erziehungswissenschaft und Sozialpädagogik an der TU Berlin (ehem. Pädagogische HS Berlin)